Unter Anorexia nervosa (Magersucht) verstehen Mediziner eine Krankheit, die sich in psychisch bedingeter Appetitlosigkeit zeigt. Auffällig bei dieser Essstörung ist die ungleichmäßige Verteilung auf die Geschlechter: Die meisten Erkrankten sind Frauen, nur etwa jede zehnte magersüchtige Person ist männlich.

Magersucht ist eine Essstörung, die sich durch restriktives Essverhalten auszeichnet. Magersüchtige haben ein schlechtes Verhältnis zu ihrem Körper: Sie können ein normales Gewicht nicht akzeptieren und versuchen deshalb, so viel wie möglich abzunehmen. Häufig gibt es dabei nach unten keine Grenze.

Medien porträtieren die Essstörung oft als eine Krankheit junger Mädchen, für die Models und Gruppenzwang verantwortlich sind. Doch das ist ein Mythos: Die Ursachen für Essstörungen sind sehr komplex und keineswegs oberflächlich.

Obwohl Statistiken auf mehrheitlich weibliche Betroffene verweisen, gehen Experten von einer hohen Dunkelziffer unter Männern und Jungen aus. Jahrzehntelang konzentrierte sich die Forschung zudem auf Teenager. Auch im Alter von 30, 50 oder sogar 70 Jahren ist jedoch eine Ersterkrankung möglich.

Anorexia nervosa: Ein irreführender Fachbegriff

Der Fachbegriff für Magersucht lautet Anorexia nervosa, was übersetzt „nervöser Appetitmangel“ bedeutet. Dieser Name ist irreführend. Ursprünglich glaubte die Medizin, Betroffene würden unter Appetitmangel leiden und deshalb nicht ausreichend essen. Tatsächlich verspüren die meisten Magersüchtigen jedoch Appetit – ihr psychisches Leiden verbietet es ihnen allerdings, den Gelüsten nachzugeben.

Wenn Magersüchtige ihrem Körper die notwendige Nahrungsmenge ständig verweigern, können sich Appetit und Hungergefühl langfristig verringern.

Körper und Psyche

Magersucht ist als eine der wenigen psychischen Störungen auch durch körperliche Kriterien definiert. Betroffene sind signifikant untergewichtig. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) definiert Untergewicht als einen Body-Mass-Index (BMI) von unter 18,5. Die Diagnose erfordert deutliches Untergewicht mit einem BMI von 17,5. Bei höherem Gewicht kommt Atypische Anorexia nervosa als Diagnose infrage.

Infolge des Nahrungsmangels bleibt bei Frauen und Mädchen die Menstruation aus. Die Sterblichkeitsrate beträgt 10–20 %. Einige Magersüchtige erbrechen auch geringe Nahrungsmengen oder missbrauchen Abführmittel.

Essgestörte machen ihren Selbstwert von ihrem Gewicht oder ihrer Figur abhängig. Häufig scheinen sie von Zahlen geradezu besessen zu sein, verspüren einen hohen Kontrollzwang und sind ehrgeizig.

Ursachen

Die Ursachen von Essstörungen sind komplex und können im Einzelfall stark voneinander abweichen. Viele Magersüchtige erlitten in ihrer Kindheit Traumata. Besonders bei schweren Verlaufsformen liegt häufig ein sexueller Missbrauch in der Vergangenheit vor. Die Ärztin und Psychotherapeutin Helga Simchen bezeichnet Essstörungen als Selbstheilungsversuch, um große Traumata oder wiederholte Mikro-Traumata zu verarbeiten.

Darüber hinaus besitzt die Krankheit eine genetische Komponente: Unabhängig vom sozialen Umfeld steigt die Wahrscheinlich zu erkranken, wenn mindestens ein Familienmitglied bereits magersüchtig ist. Darüber hinaus verstärken soziale Faktoren die Rolle der Eltern bei der Entstehung der psychischen Krankheit.

Therapie

Da Magersüchtige in der Regel untergewichtig sind, gehört die Gewichtszunahme zur grundlegenden Behandlung. Das allein kann die psychische Störung jedoch nicht heilen. Eine Psychotherapie ist deshalb zwingend erforderlich, auch wenn Betroffene bereits einen gesunden BMI haben. Die Therapie kann mehrere Monate oder Jahre dauern.

Familientherapeutische Sitzungen erhöhen die Chance auf eine erfolgreiche Behandlung. Insbesondere Minderjährige profitieren davon. Eine reine Ernährungsberatung ist ineffektiv; als Ergänzung zur Psychotherapie kann sie jedoch sinnvoll sein.